Onkel Bob

 

Heute möchte ich euch einmal von Onkel Bob erzählen. Onkel Bob treffe ich auf fast jeder Hochzeit, die ich begleite. Fast jede Familie hat einen solchen Onkel Bob. Onkel Bob ist der stolze Fotograf in der Familie. Er hat eine tolle Kamera und hat sie auch überall mit dabei. Dass das Brautpaar einen Fotografen für die Feierlichkeit engagiert hat, ist ihm entweder nicht bewusst oder auch egal.

 

Prinzipiell habe ich nichts gegen Onkel Bob. Auch ich kann die Finger kaum von meiner Kamera lassen, wenn ich mal privat auf einer Hochzeit bin – der Unterschied zwischen jemandem, der auf einer Hochzeit ein paar Fotos macht und unserem Onkel Bob ist jedoch erheblich.

 

Onkel Bob steht immer vorne dran, Onkel Bob fotografiert ohne Unterlass und verfolgt das Brautpaar förmlich auf Schritt und Tritt. Onkel Bob meint es nur gut. Das weiß ich. Vielleicht bin ich oftmals auch selber schuld, denn aus mindestens drei Gründen sieht mich Onkel Bob nicht als qualifiziert genug an:

 

1) Meine Kamera ist kleiner als seine.

Dass ich mit meinen Systemkameras auf dem neusten Stand der Technik bin, lässt sich nicht an ihrer Größe erkennen. Im Gegenteil: sie ist gerad zu lächerlich klein gegen viele Poser-Ich-hab-den-Größten(-Fotoapparat).

 

2) Ich bin eine eher zierliche, junge Frau. Onkel Bob ist meist über … naja, sagen wir älter als ich, und ist vielleicht der Meinung, dass ihm so ein Grünschnabel wie ich nichts vormachen kann. Seine Bilder sind unverzichtbar für das Brautpaar, sicher verpasse ich die wichtigsten Momente oder habe einfach nicht genug Erfahrung für diesen anspruchsvollen Job.

 

Zur Klärung: Ich habe auf Hochzeiten eine sehr dezente Art an mir. Ich bin auf Hochzeiten chic gekleidet und könnte vielleicht auch als Gast durchgehen, aber ich habe zwei Kameras um den Hals (!) - Muss ich mir wirklich noch mal eine Warnweste kaufen, wo „Fotograf“ drauf steht?  Des Weiteren bewege ich mich meist unbemerkt. Und deshalb denkt Onkel Bob wahrscheinlich, dass ich gar nicht richtig dabei bin. Dass ich ein super-dupa-Zoomobjektiv habe, das es mir erlaubt auch noch aus 20 Metern Entfernung unbemerkt Nahaufnahmen zu machen, weiß er ja nicht. Das mit den Nahaufnahmen funktioniert allerdings nur dann, wenn Onkel Bob nicht die - jetzt endlich - freie Sicht für alle Gäste nutzt (ich hasse es den Gästen die Sicht zu nehmen!) und sich mitten rein stellt.

 

3) Ich bin kein Rambo. Onkel Bob schon. Vor dem Traualtar gilt seines Erachtens das Gesetz des Stärkeren und es wäre nicht das erste Mal, dass man versucht mich abzudrängen. Aber Vorsicht Onkel Bob – wenn du es zu weit treibst, sei dir nicht zu sicher, dass der Grünschnabel nicht doch zurück schlägt! Denn wer mich dauerhaft bei meiner Arbeit, für die ich wohlgemerkt bezahlt werde, stört, den werde ich auch darauf hinweisen.

 

Also Onkel Bob: Das Brautpaar hat sich nicht umsonst für mich entschieden. Deine Bilder kenne ich nicht, vielleicht bist du ja auch besser als ich, aber das Brautpaar wollte dich als Gast dabei haben und ich sollte derjenige sein, der die Bilder macht. Ungestört und ungehindert.

 

Allen, die sich jetzt fälschlicherweise für Onkel Bob halten sei gesagt: Onkel Bob ist ein Einzelphänomen. Wer zwischendurch ein paar Fotos schießt ist nicht Onkel Bob. Ich habe nichts dagegen, wenn mehrere fotografieren, aber bitte nicht ständig und immer vorne dran.

 

Wobei ich an dieser Stelle vielleicht doch noch was loswerden darf:

Gerade bei solchen Szenen wie Torte-Anschneiden, Hochzeitstanz etc. - Es sieht nicht schön aus, wenn ich euch zu zehnt im Hintergrund habe, wie ihr eure Handys vor euch haltet. Wir alle machen ständig Fotos mit unseren Smartphones – aber schön sehen wir dabei nicht aus! Gerunzelte Stirn, manchmal leicht nach hinten gebeugt, schiefer Kopf, manchmal auch die Zungenspitze raus…

So steht ihr auf dem Bild im Hintergrund beim Brautpaar. Das sieht echt doof aus! Nur so als Tipp, vielleicht denkt ja mal jemand an meine Worte, denn die Handy-Fotografiererei nimmt derzeit wirklich enorm zu!

 

 

So, genug geschimpft – aber das musste auch mal gesagt werden. Und - kennt ihr euren persönlichen Onkel Bob? Sicher fällt euch auch jemand ein ;-)