Mein Stundenlohn

"So einen Stundenlohn hätte ich auch gerne!" Diesen Satz höre ich tatsächlich häufig. Und ja, es ist wahr, als Hochzeitsfotograf kann man gutes Geld verdienen. Allerdings gehen wir nach einer 10-stündigen Hochzeitsreportage nicht nach Hause und freuen uns, dass wir "gerade" einen vierstelligen Betrag verdient haben. 

Die Arbeit beginnt weit vor dem Hochzeitstag des Brautpaares. Meist schon ein Jahr im Voraus. Mit unterschiedlichen Angeboten, Telefonaten und zahlreichem Email-Wechsel, bis der Auftrag "in der Tasche" ist. So wissen wir Hochzeitsfotografen meist schon ein Jahr im Voraus wie unser nächstes Jahr aussehen wird. Urlaub? Den quetschen wir meist irgendwo in die Nebensaison ("Da kann ich nicht..." und "Da hab´ ich schon eine Hochzeit.", mein Mann kennt das.) 

Tatsächlich hatte ich 2022 selber das Problem meine EIGENE Hochzeit zu planen. Es war etwas schwierig, einen Termin zwischen meinen Aufträgen zu finden. Worauf ich hinaus möchte: Selbständig kommt von "selbst" und "ständig". Niemand anderes kann unsere Arbeit tun, wenn der Kunde sich einmal, aus gutem Grund, für uns entschieden hat. Es gibt keine Urlaubsvertretung. Unsere Zeit ist fest verplant. Die Termine lassen sich, einmal angenommen, nicht mehr verschieben.

 

Krank sein? Undenkbar. Keine Zeit! Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich mit fiebersenkenden Mitteln auf eine Hochzeit geschleppt habe, um dort acht Stunden, und länger, Vollgas zu geben. Und keiner hat je etwas davon gemerkt. Ich erzähle es nicht. Hochzeitsfotografen werden dafür bezahlt, fit zu sein. Immer. Meine Brautpaare verlassen sich auf mich. Also schält man sich aus dem Bett. Krumm und krank, um dann strahlend über seine Grenzen zu gehen und "sein" Brautpaar zu begleiten. Ich bin immer für euch da. Immer erreichbar. Vor, während und nach der Hochzeit. Mit Ruhe und jahrelanger Erfahrung. 

 

Da wären wir beim nächsten Kostenfaktor. Meine Erfahrung. Als ich gerade mit der Hochzeitsfotografie angefangen hatte, war ich ein Schnäppchen. Aber auch ein Grünschnabel. Mit den Jahren wurde meine Leistung besser und ich immer sicherer. Egal bei welchen Witterungsbedingungen oder bei welchen Lichtverhältnissen, spontanen Planänderungen und kleineren Katastrophen. Man macht schon einiges mit, im Laufe der Jahre und wächst daran.

Man startet als Traubensaft und wird zu einem guten Jahrgang. Der Unterschied zwischen einem guten Wein und einem Tetra-Pack ist uns bewusst. Warum also nicht auch bei der Leistung von jemandem, der sein Handwerk seit Jahren beherrscht.

 

Beherrschen muss man als guter Fotograf auch Bearbeitungsprogramme wie Photoshop & Co. Auch hier sind wir Fotografen echte Fachkräfte! Entweder wir lernen es durch teure Workshops oder durch jahrelange Übung und Autodidaktik. Ich hatte das Glück, dass ich während meiner Ausbildung bei der Daimler AG wegen der Krankheit eines Mitarbeiters ziemlich lange im Marketing eingesetzt war und ich die Einführung in die Zauberei mit Photoshop quasi gratis dazu bekam. Davon profitiere ich auch heute noch. Ich kenne keinen Fotografen, der seine Fotos nicht noch bearbeitet. Die Bildbearbeitung nimmt zeitlich den Löwenanteil bei der Fotografie ein. Wenn man es mal so sieht, bin ich rein zeitlich gesehen, länger mit der Bildbearbeitung beschäftigt, als mit dem Fotografieren vor Ort. Das sieht keiner.

 

Bleiben wir bei Dingen, die keiner sieht. Buchhaltung, Steuern, Büroarbeit, Weiterbildung, Social Media, Pflege der Webseite, Planung, Ideenfindung, neue Hacks in Bearbeitungsprogrammen, das Entwickeln eines sinnvollen Workflows (dass der Kunde seine fertigen Bilder NOCH schneller bekommt), die Pflege des Equipments usw. Auch das ist meine Arbeitszeit. Auch diese muss ich mit einkalkulieren, wenn ich meine Preise erstelle. Dass allerdings nicht die Kamera "so tolle Bilder" macht, sondern der Fotograf hinter der Kamera, das kommt leider nicht so schnell in den Köpfen der Leute an. Ich wiederhole mich, aber bezahlt wird hauptsächlich das Können!

 

Apropos Können: Wer mich mal kann... Kommen wir also zum Finanzamt. Dass ich von meinem Gewinn 30-40 % an unseren lieben Fiskus abgeben darf, das tut weh. Reden wir über etwas anderes. Nein, lieber nicht über Versicherungen. Denn versichern darf man sich als Selbständiger ja auch selber. Es gibt keine bestehende Firma, die etwas von unserem "Lohn" abführt. Wir SIND die Firma. Wir sind Einkauf, Rechnungswesen, Sekretariat, Marketing, Service, IT und Außendienst in einem. Ich bin viele Personen in einer und nebenbei gibt es immer viel zu tun. So wird aus einer 10-Stunden-Reportage schnell eine gängige 40-Stunden-Woche. Nach Ausgaben, Abgaben und Steuern? Wie sieht es jetzt mit meinem Stundenlohn aus? Ich gehe zwar nur einmal aus dem Haus, bin aber doch die ganze Woche mit einem Brautpaar beschäftigt. 

 

Das Gute dabei ist aber wirklich: Ich bin mein eigener Chef und immer Mitarbeiter des Monats. Kündigung ausgeschlossen. Aber ich bin auf die Bewertung von außen angewiesen. Ich muss also dennoch immer alles geben.

Verliere ich meinen guten Ruf, verliere ich alles. Also, immer recht freundlich und... Bitte lächeln!